8. November 2025
Die Macht des Matriarchats Warum die Dinge an diesem Nachmittag so entgleisen, wird für immer ein Rätsel bleiben. Seit dem Morgen sind Sonya, Sofia und Leonardo mit der Westgruppe unterwegs und nehmen online Verhaltensdaten auf. Gellende Schreie unterbrechen die Routine und alle drei rennen los. An der Stelle, an der Tumult ausgebrochen ist, können sie zunächst kaum etwas erkennen. Mehrere Bonobos drängen sich um ein Tier am Boden. Es dauert ein paar Minuten, bis die Sichtverhältnisse ausreichen, um Individuen auszumachen. Am Boden liegt Hugo, ein erwachsener Mann, umringt von Polly, Tao, Ngola, Bella, und Djulie. Die fünf Frauen wechseln sich bei ihren Attacken ab. Es hagelt Schläge und Bisse, mehrmals versuchen die Frauen den Mann auf den Rücken zu drehen. Als das gelingt, ist er den zornigen Frauen schutzlos ausgeliefert. Hugo verliert mehrere Finger und ein Ohr und hat tiefe Bisswunden an den Hoden und am Bauch. Nach einer halben Stunde lassen die Angreiferinnen von ihm ab. Jetzt hockt er gekrümmt am Boden und presst gellende Rufe aus dem malträtierten Körper. Er hat kaum noch Haare, sein Gesicht ist entstellt. Als die Gruppe schließlich den Platz verlässt, verschwindet auch er im Unterholz. Seitdem fehlt von Hugo jede Spur. Möglich, dass er zum Einzelgänger geworden ist. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er den Angriff nicht überlebt hat. Gewalt in dieser Form ist in der Bonobogesellschaft selten. Was auch immer der Auslöser gewesen sein mag, er hat zu Gewalttätigkeiten geführt, die so gar nicht in das Bild einer friedfertigen Primatengesellschaft passen. In der Regel reicht entschlossenes Auftreten und die zahlenmäßige Übermacht weiblicher Gruppenmitglieder aus, um Konflikte zwischen den Geschlechtern zu beenden. Wenn aber im Ernstfall „Brusttrommeln“ in physische Gewalt umschlagen kann, erhöht sich das potentielle Risiko für männliche Einzelkämpfer. Die Bündnisse der Frauen sind also weit mehr als Schutzgemeinschaften. Eskalierende Konflikte wurden auch schon in anderen Bonobo-Populationen beobachtet und gehören demnach ins Verhaltensrepertoire der Art. Die geschilderte Attacke wird an der pazifistischen Reputation der Art Pan paniscus wenig ändern. Aber sie macht einmal mehr deutlich, welche Schlagkraft die Allianzen weiblicher Bonobos haben und warum männliche Artgenossen diplomatische Lösungen bevorzugen. The power of matriarchy Why things go so wrong that afternoon will remain a mystery forever. Since the morning, Sonya, Sofia and Leonardo have followed West group, recording behavioural data online. Shrill cries interrupt the routine and all three rush off. At first, they can hardly see anything where the commotion has broken out. Several bonobos are crowding around an animal on the ground. It takes a few minutes before visibility is good enough to recognize individuals. Hugo, an adult male, is lying on the ground, surrounded by Polly, Tao, Ngola, Bella and Djulie. The five females take turns attacking him. They rain down blows and bites, repeatedly trying to turn the male onto his back. When they succeed, he is defenseless against the furious females. Hugo loses several fingers and an ear and has deep gashes on his testicles and stomach. After half an hour, the attackers leave him alone. Hugo now crouches on the ground, curled up, letting out piercing cries from his battered body. He has hardly any hair left and his face is disfigured. When the group finally leaves the spot, he also disappears into the undergrowth. Since then, there has been no trace of Hugo. It is possible that he has become a loner. However, it is more likely that he did not survive the attack. Violence of this kind is rare in bonobo society. Whatever the trigger may have been, it released violent acts that do not fit in with the image of a peaceful primate society. Usually, their determined attitudes and the numerical superiority of female group members are sufficient to end conflicts between the sexes. However, if ‘chest drumming’ can turn into physical violence in serious situations, the potential risk for a male increases. The alliances formed by the females are therefore much more than just protective communities. Escalating conflicts have also been observed in other bonobo populations and are therefore part of the species' behavioural repertoire. The attack described above will do little to change the pacifist reputation of Pan paniscus but highlights the power of female bonobo alliances and why male members prefer diplomatic solutions.